Veranstaltung am 25.Oktober 2011, 17.00 Uhr, im Warburg-Haus, Heilwigstraße 116, in Anwesenheit von Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt.
Inhaltliche Beiträge brachten Prof. Dr. Barbara Vogel, Prof. Dr.Dieter Bingen, der Autor, aber diesmal auch Helmut Schmidt selbst ein. Einleitende Worte sprach der Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung Peter Schulz, Erster Bürgermeister a.D.
Die Rolle Helmut Schmidts in der Ostpolitik als Nachfolger Willy Brandts bietet der Forschung in der Tat interessanten Diskussionsstoff: die Beziehungen zu Polen im Spannungsfeld der Beziehungen der Bundesrepublik zur Sowjetunion in Zeiten des Kalten Krieges oder die Beziehungen der Bundesregierung zur polnischen Oppositionsbewegung und der Solidarnosc.
Historisch interessant die ergänzenden Bemerkungen des Bundeskanzlers a.D., der berichtete, er habe auf seiner Reise als Kanzler nach Polen im November 1977 einen Versuch gemacht, mit Karol Wojtyla in Krakau ein informelles Treffen zu arrangieren. Damals war es üblich, solche Gesprächsangebote einem Boten mit brieflicher Nachricht anzuvertrauen. In diesem Fall lehnte Karol Wojtyla ein Gespräch mit dem deutschen Kanzler ab, weil sich die sowjetische und die polnische Führung dadurch hätten provoziert fühlen können. Lech Walesa habe bei einem späteren Besuch bei Helmut Schmidt in Hamburg die Position des Erzbischof von Krakau, der bereits 1978 zum Papst gewählt wurde, als richtig bestätigt.
Schmidt vertrat die Auffassung, die SPD hätte als Partei ihren größeren politischen Spielraum stärker nutzen können.
Ein kluger , historisch relevanter Beitrag des Kanzlers auf dieser Veranstaltung: Bestätigt dies nicht die Richtigkeit der eher zurückhaltenden Haltung der Bundesregierung gegenüber der polnischen Oppositionsbewegung? Hätte man mit einer stärkeren offiziellen Unterstützung nicht wirklich die polnische Führung und die Führung der Sowjetunion zu nicht wünschenswerten Reaktionen herausfordern können, schließlich sah diese Gefahr nach den Worten Schmidts damals der Erzbischof von Krakau, doch wohl ein guter polnischer Kronzeuge, als gegeben an.
Ob Karol Wojtyla noch andere Gründe für die Ablehnung des Gesprächsangebots hatte, mag dahingestellt bleiben.
Es hieße Helmut Schmidt weit zu unterschätzen, wollte man ihm unterstellen, er wolle sich nachträglich als Entspannungspolitiker profilieren, vielmehr geht es ihm darum, seine Rolle in der Phase der Entspannungspolitik deutlicher herauszuarbeiten.
Schmidts damalige Polenreise war politisch ambitioniert, dabei durchaus nicht ohne politische Schwierigkeiten: u.a. Polens Exportwünsche, Ausreise von Deutschen, Abrüstungsfragen, die eigenständige Rolle der mittleren Mächte in den beiden Bündnissystemen. Schmidt wollte auch gerade mit der Polenreise einen Beitrag zur Entspannungspolitik leisten und damit auch sein Image ein Stück vom „Weltökonomen“ weg, zum Entspannungspolitiker hin entwickeln. Jedenfalls sei er Edward Gierek, zuletzt in einem Vier-Augen-Gespräch, weit entgegengekommen, wie Dominik Pick in seinem Statement feststellte.
Wenn Karol Wojtyla schon im Jahr 1977 soviel politische Sensibilität für zweckmäßig hielt, so könnte man argumentieren, wie viel mehr muss dies dann für die folgenden Jahre , insbesondere für 1980/81 seitens der Bundesregierung richtig gewesen sein.
Zur Erinnerung: das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter(KOR) war 1976 gegründet worden, im Dezember 1981 wurde das Kriegsrecht in Polen verhängt.