Sonntag, 13. Januar 2013

Vortrag Heinz Bude, „Generationengerechtigkeit :Das Immer Weniger nach dem Immer Mehr“ am 7.1.2013 am HIS


Reihe InstitutsMontage
Moderation: Friederike Bahl, M.A.

Die Vortragsreihe wird zwar stets  ordentlich in HIS-online oder dem  Hamburger Abendblatt angekündigt, die Vorträge finden aber nicht immer Resonanz in den Medien.
Ich schicke vorweg: Der Referent erhielt einen ordentlichen Schlussapplaus. Das Publikum fühlte sich angeregt und hat Diskussionsbeiträge geliefert, die zentrale Probleme ansprachen.
Es war ein relativ warmer Januartag, der Raum im 1.Stock war überfüllt, die Luft wurde immer wärmer und drückender.
Und nun zur Vortragstechnik:
Heinz Bude trug den Vortrag Manuskript-gestützt vor, aber durchaus routiniert und im Tempo noch angemessen. Allerdings schien vergessen zu sein, dass es Präsentationstechnik gibt  und so einfache klassische Dinge wie eine strukturierte Gliederung, ein Thesenpapier oder gar den Vortrag selbst. Dies erschwert die Rezeption  erheblich.
Nun dennoch zum Inhaltlichen:
Zunächst nahm Bude durchaus Bezug auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, hier besonders auf die Frage der Generationengerechtigkeit in Pflege, Gesundheit und Rente. In der Finanzkrise habe sich die kollektive Umlage  im Vergleich zur privaten Vorsorge etwa mit Pensionsfonds als die bessere Lösung erwiesen. Bei Betrachtung der demographischen Entwicklungen  benannte er Verantwortlichkeiten bestimmter „Generationen“, die einfach nicht ihren Beitrag an Kindern für diese Gesellschaft erbracht hätten. Der abnehmende Anteil der Europäer an der Weltbevölkerung geriet ihm fälschlicherweise zum Symbol für den zunehmenden Bedeutungsverlust Europas.
Die krisenhafte und in Sprüngen, nicht linear verlaufende gesellschaftliche Entwicklung schaffe in Deutschland  nicht  mehr die Voraussetzungen für Generationengerechtigkeit.
Im Zeitphilosophischen und zeitdiagnostischen Teil des Vortrags streifte Bude messianische und eschatologische Zeitvorstellungen  und lieferte zugespitzte Thesen zum Zeitverständnis der Gegenwart.
Früher sei man von der Vorstellung ausgegangen, es solle der nächsten Generation besser gehen als der vorangehenden. Das sei vorbei. Man rede nun von „stagnativer Gegenwart“.
Angeblich leben wir nun in einer „vergehenden Zeit“, die von Vergangenheiten überschwemmt werde. Es gebe keinen Horizont der Möglichkeiten.
These Bude: Weil wir nichts mehr erwarten, reden wir von Generationengerechtigkeit.
Dagegen stellte der Referent ein zukunftsorientiertes Bewusstsein in den Schwellenländern.
Die Hoffnung auf die neuen Technologien, die krisenhafte Einbrüche und demographische Schwächen  durch Effizienzsteigerung ausgleichen könnten, habe sich bisher nicht erfüllt. Vielmehr habe eine Fülle von „Unentscheidbarkeiten“ wie beim Klimawandel und der Energiepolitik einen „gesellschaftlichen Wutzustand“ geschaffen. Leben mit kollektiver Unentscheidbarkeit sei jedoch nunmehr zwangsläufig und Realität.
.Jede Generation müsse sich neu die Frage stellen „Wie wollen wir leben?“, auch gerade in der Postwachstumsgesellschaft.
 Dies tue übrigens gerade die Band „Tocotronic“ im Vorfeld ihres 20-jährigen Jubiläums und   in ihrem neuen Album vom 25.1.2013 mit dem Titel „Wie wir leben wollen“.
Heinz Bude verwies in seinem Beitrag auf Karl Mannheim, Jürgen Habermas, Michel Foucault, den Apostel Paulus und Jacob Taubes. In der durchaus ambitionierten Anmoderation  war schon Niklas Luhmann aufgetaucht. Die Belesenen werden diese Autoren den entsprechenden Passagen zuordnen können.
Das Schöne am Vortrag Budes war, dass er, der verstärkt die Rückkehr zu einer Soziologie im klassischen Format  befürwortet, hier der Aufgabe angemessen einen verständlichen Vortrag abliefert, aber gleichzeitig mit seinen Hinweisen auf die Literatur auf komplexere Zusammenhänge verweist. Man denke allein an den Begriff „Unentscheidbarkeit“ oder die Zeitvorstellungen in der Religionsphilosophie.

Die Diskussionsbeiträge offenbarten nun durchaus einige „offene Punkte“:
Ein Beitrag bezweifelte die Tragfähigkeit des Begriffs der Generationengerechtigkeit, und auch schon die des Begriffs der Generation überhaupt. Der Begriff  Generationengerechtigkeit spalte zudem. Der Wortbeitrag stellte immerhin  ganz nebenbei die Relevanz der Generationentheorie von Karl Mannheim, aber auch einen Teil der Publikationen Budes in Frage.
Ein weiterer Diskussionsbeitrag fragte die angeblich fehlende Perspektive und Orientierung des Vortrags an, wollte aber dem Referenten, in diesem Beitrag zu Unrecht, eine ganz leichte revolutionäre Anmutung unterstellen. Hier wurde der C4-Professor mit Erwartungen als Sinnstifter und Experte für Zukunft  konfrontiert.
Ein Vater beklagte ganz konkret die mangelnden Perspektiven seiner Kinder fortgeschrittenen Alters mit Hochschulabschlüssen. Hier verwies Bude darauf, dass bei der enormen Zahl heutiger Hochschulabschlüsse die Statuserwartungen von gestern, ausgenommen in den technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen, nicht mehr gelten könnten.
Ein weiterer Beitrag bedauerte die wenig optimistische  Einschätzung der Entwicklungsmöglichkeiten neuer Technologien.
Das HIS leistet mit diesem Vortrag in der Reihe „InstitutsMontage“ einen Beitrag zur gesellschaftlichen Diskussion in Hamburg, hier vorrangig für eine Wissenschafts-interessierte Klientel. Dank Jan Philipp Reemstma hat Hamburg mit dem HIS ein Institut, das auch Angebote für einen wissenschaftlichen  und gesellschaftlichen Diskurs in der Stadt macht und hauptsächlich mit seinen wissenschaftlichen Tagungen und Publikationen  darüber hinaus wirkt, man denke an die internationale Resonanz der Wehrmachtsausstellung. 
Am Schluss gab es zum Ausklang noch einen Umtrunk mit Wein und Salzgebäck.



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