Reihe InstitutsMontage
Moderation: Friederike Bahl, M.A.
Die Vortragsreihe wird zwar
stets ordentlich in HIS-online
oder dem Hamburger Abendblatt
angekündigt, die Vorträge finden aber nicht immer Resonanz in den Medien.
Ich schicke vorweg: Der Referent
erhielt einen ordentlichen Schlussapplaus. Das Publikum fühlte sich angeregt
und hat Diskussionsbeiträge geliefert, die zentrale Probleme ansprachen.
Es war ein relativ warmer
Januartag, der Raum im 1.Stock war überfüllt, die Luft wurde immer wärmer und
drückender.
Und nun zur Vortragstechnik:
Heinz Bude trug den Vortrag
Manuskript-gestützt vor, aber durchaus routiniert und im Tempo noch angemessen.
Allerdings schien vergessen zu sein, dass es Präsentationstechnik gibt und so einfache klassische Dinge wie
eine strukturierte Gliederung, ein Thesenpapier oder gar den Vortrag selbst. Dies erschwert die Rezeption
erheblich.
Nun dennoch zum Inhaltlichen:
Zunächst nahm Bude durchaus Bezug
auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, hier besonders auf die Frage der
Generationengerechtigkeit in Pflege, Gesundheit und Rente. In der Finanzkrise
habe sich die kollektive Umlage im
Vergleich zur privaten Vorsorge etwa mit Pensionsfonds als die bessere Lösung
erwiesen. Bei Betrachtung der demographischen Entwicklungen benannte er Verantwortlichkeiten
bestimmter „Generationen“, die einfach nicht ihren Beitrag an Kindern für diese
Gesellschaft erbracht hätten. Der abnehmende Anteil der Europäer an der
Weltbevölkerung geriet ihm fälschlicherweise zum Symbol für den zunehmenden
Bedeutungsverlust Europas.
Die krisenhafte und in Sprüngen,
nicht linear verlaufende gesellschaftliche Entwicklung schaffe in
Deutschland nicht mehr die Voraussetzungen für
Generationengerechtigkeit.
Im Zeitphilosophischen und
zeitdiagnostischen Teil des Vortrags streifte Bude messianische und
eschatologische Zeitvorstellungen
und lieferte zugespitzte Thesen zum Zeitverständnis der Gegenwart.
Früher sei man von der
Vorstellung ausgegangen, es solle der nächsten Generation besser gehen als der
vorangehenden. Das sei vorbei. Man rede nun von „stagnativer Gegenwart“.
Angeblich leben wir nun in einer
„vergehenden Zeit“, die von Vergangenheiten überschwemmt werde. Es gebe keinen
Horizont der Möglichkeiten.
These Bude: Weil wir nichts mehr
erwarten, reden wir von Generationengerechtigkeit.
Dagegen stellte der Referent ein
zukunftsorientiertes Bewusstsein in den Schwellenländern.
Die Hoffnung auf die neuen
Technologien, die krisenhafte Einbrüche und demographische Schwächen durch Effizienzsteigerung ausgleichen
könnten, habe sich bisher nicht erfüllt. Vielmehr habe eine Fülle von „Unentscheidbarkeiten“
wie beim Klimawandel und der Energiepolitik einen „gesellschaftlichen
Wutzustand“ geschaffen. Leben mit kollektiver Unentscheidbarkeit sei jedoch
nunmehr zwangsläufig und Realität.
.Jede Generation müsse sich neu
die Frage stellen „Wie wollen wir leben?“, auch gerade in der
Postwachstumsgesellschaft.
Dies tue übrigens gerade die Band „Tocotronic“ im Vorfeld
ihres 20-jährigen Jubiläums und
in ihrem neuen Album vom 25.1.2013 mit dem Titel „Wie wir leben wollen“.
Heinz Bude verwies in seinem
Beitrag auf Karl Mannheim, Jürgen Habermas, Michel Foucault, den Apostel Paulus
und Jacob Taubes. In der durchaus ambitionierten Anmoderation war schon Niklas Luhmann aufgetaucht.
Die Belesenen werden diese Autoren den entsprechenden Passagen zuordnen können.
Das Schöne am Vortrag Budes war,
dass er, der verstärkt die Rückkehr zu einer Soziologie im klassischen
Format befürwortet, hier der
Aufgabe angemessen einen verständlichen Vortrag abliefert, aber gleichzeitig
mit seinen Hinweisen auf die Literatur auf komplexere Zusammenhänge verweist.
Man denke allein an den Begriff „Unentscheidbarkeit“ oder die Zeitvorstellungen
in der Religionsphilosophie.
Die Diskussionsbeiträge
offenbarten nun durchaus einige „offene Punkte“:
Ein Beitrag bezweifelte die
Tragfähigkeit des Begriffs der Generationengerechtigkeit, und auch schon die
des Begriffs der Generation überhaupt. Der Begriff Generationengerechtigkeit spalte zudem. Der Wortbeitrag
stellte immerhin ganz nebenbei die
Relevanz der Generationentheorie von Karl Mannheim, aber auch einen Teil der
Publikationen Budes in Frage.
Ein weiterer Diskussionsbeitrag
fragte die angeblich fehlende Perspektive und Orientierung des Vortrags an, wollte aber
dem Referenten, in diesem Beitrag zu Unrecht, eine ganz leichte revolutionäre
Anmutung unterstellen. Hier wurde der C4-Professor mit Erwartungen als
Sinnstifter und Experte für Zukunft
konfrontiert.
Ein Vater beklagte ganz konkret
die mangelnden Perspektiven seiner Kinder fortgeschrittenen Alters mit
Hochschulabschlüssen. Hier verwies Bude darauf, dass bei der enormen Zahl
heutiger Hochschulabschlüsse die Statuserwartungen von gestern, ausgenommen in
den technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen, nicht mehr gelten
könnten.
Ein weiterer Beitrag bedauerte
die wenig optimistische
Einschätzung der Entwicklungsmöglichkeiten neuer Technologien.
Das HIS leistet mit diesem
Vortrag in der Reihe „InstitutsMontage“ einen Beitrag zur gesellschaftlichen
Diskussion in Hamburg, hier vorrangig für eine Wissenschafts-interessierte
Klientel. Dank Jan Philipp Reemstma hat Hamburg mit dem HIS ein Institut, das auch Angebote für einen wissenschaftlichen
und gesellschaftlichen Diskurs in der Stadt macht und hauptsächlich mit seinen
wissenschaftlichen Tagungen und Publikationen darüber hinaus wirkt, man denke an die internationale Resonanz der Wehrmachtsausstellung.
Am Schluss gab es zum Ausklang
noch einen Umtrunk mit Wein und Salzgebäck.
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