Donnerstag, 10. März 2011

Olaf Scholz: Machtkonzentration und die innerparteiliche Demokratie


Heute morgen berichten die Medien u.a. der NDR, Scholz habe sein Bundestagsmandat in Berlin zurückgegeben und sei gleichzeitig als stellvertretender Fraktionsvorsitzender zurückgetreten.

In Nachrichtensendungen geht man naturgemäß über diese dürren Informationen nicht hinaus.Ob wir zum Thema Ämterhäufung auch einmal etwas Kritisches erfahren werden? Wen wunderts, denn es gibt ja kaum noch kritische Parteienforschung, und das Wenige wird auch noch nicht einmal zur Kenntnis genommen. Die Verfallserscheinungen des deutschen Parteiensystems konnten die Bürger gerade eben noch verfolgen anhand der „Diskussion“ in CDU und CSU über das vorsätzliche Abschreiben ihres „Helden „ Karl Theodor Freiherr zu Guttenberg und seine unsägliche Kommentierung seines mehrjährigen Fehlverhaltens.

Wenn unsere Journalisten Mumm hätten, hätten sie etwas umfassender berichten können:

Olaf Scholz hatte sich in Berlin und Hamburg eine starke Position aufgebaut , er war nämlich gleichzeitig stellvertretender Parteivorsitzender und stellvertretender Fraktionsvorsitzender, dazu sogar noch Hamburger Landesvorsitzender der SPD. Eine klassische Form von massiver Ämterhäufung und Machtkonzentration. Unter Gesichtspunkten innerparteilicher Demokratie unvertretbar.

Nunmehr hat er folgende Ämter inne: stellvertretender Parteivorsitzender der SPD, Erster Bürgermeister in Hamburg und Hamburger Landesvorsitzender der SPD. Sein Bürgerschaftsmandat ruht. Seine Machtposition ist keinesfalls geringer geworden, hat sich eher auf zwei Beine nahezu gleichgewichtig verlagert : Hamburg und den Bund. In Hamburg Landesvorsitzender der SPD und Bürgermeister, im Bund Erster Bürgermeister, d.h. Regierungschef eines der Bundesländer mit Machtposition im Gesetzgebungsorgan Bundesrat und stellvertretender Parteivorsitzender der Bundes-SPD.

Durch seinen Wahlerfolg wird seine Position innerparteilich und in der bundespolitischen Wahrnehmung enorm gestärkt. Das bundespolitische Gewicht wird sich noch erhöhen, wenn die in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz feststellbaren verbesserten Umfragewerte für die SPD sich auch in den übrigen Bundesländern fortsetzen, in denen Landtagswahlen anstehen, besonders aber wenn die SPD diese neuen Werte auch in echte Wahlerfolge umsetzen kann, z.B. in eine Regierungsübernahme in BW als führende Regierungspartei.

In Hamburg hat Scholz zudem keine innerparteilichen Probleme, da es kaum Amts-und Mandatsträger gibt, die den Mut und das Format haben, Scholz Macht Zügel anzulegen. In Hamburg sind die Funktionäre der zweiten und dritten Reihe damit beschäftigt, Karrierepositionen in Scholz Ämtertableau „einzufordern“, abzusichern und die notwendigen Bündnisse unter Einschluss der Vergabe der zukünftigen Bundestagskandidaturen auf Kreisebene zu schließen.

Da passen kritische Einlassungen überhaupt nicht ins Bild. Etwa die Frage, wie eigentlich Scholz vorgezogene Bürgermeisterwahl politisch einzuschätzen ist, nämlich als weitere Machtsteigerung.

Vor der Wahl hatte Scholz bereits alle programmatischen und strategischen Fragen spätestens seit der Positionierung beim Volksentscheid über die sechsjährige Primarschule praktisch allein entschieden. Aber selbst die verheerende Niederlage der vier Bürgerschaftsparteien unter Einschluss der SPD beim Volksentscheid konnte Scholz nicht aufhalten, da GAL und CDU dadurch viel stärker betroffen waren.

Ich spare hier wohlweislich die politische Frage aus, ob mehr innerparteiliche Demokratie angesichts des Zustands der Hamburger SPD überhaupt eine realistische Perspektive und wünschenswert ist.

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