Freitag, 11. März 2011

Hamburgs SPD und die innerparteiliche Demokratie


Die Hochzeiten innerparteilicher Demokratie in der Hamburger SPD lagen zwischen Mitte der sechziger und Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Die wichtigste große Reform aus dem Jahre 1971 sicherte dem Landesparteitag entscheidenden Einfluss auf die Auswahl der Senatoren. Die Bewerber benötigten in Einzelwahl eine Mehrheit des Parteitags. Sie waren damit natürlich entsprechend an die Beschlüsse der SPD angebunden. Diese Entscheidung habe ich selbst gestützt auf Reformdiskussionen im Kreis Altona der SPD zusammen mit Hermann Scheunemann, dem Kreisvorsitzender der SPD Hamburg-Nord, 1971 durchgesetzt. Übrigens gegen den Widerstand des damaligen Ersten Bürgermeisters Peter Schulz auf dem Landesparteitag. Nun spielten fachlich und politisch die Parteitage damals eine ganz andere Rolle.

Bekanntlich hat diese Regelung Henning Voscherau 1988 zu Fall gebracht, als er seine Bereitschaft zur Bürgermeisterkandidatur von der Entschärfung bzw. Abschaffung dieser Satzungsregelung abhängig machte.

In der Zwischenzeit ist die Sensibilität für Fragen der innerparteilichen Demokratie weiter verloren gegangen. Wahlordnungen für die Kandidatenaufstellungen für die Wahlen 2011 sind in einigen Kreisen, z.B. im Kreis Harburg hinter die der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückgefallen.

Robert Michels hätte wenig Freude an der Hamburger SPD gehabt: So gab es in der Folge einen Landesgeschäftsführer, Thies Rabe, der gleichzeitig Kreisvorsitzender des Kreises Bergedorf war. Damit war er Mitglied des Landesvorstands und gleichzeitig der erste Angestellte der Hamburger SPD. Etwa fünfzehn Jahre war der Kreisgeschäftsführer der Harburger SPD Rüdiger Schulz, noch mit einem „alten“, sehr ordentlichen Vertrag, gleichzeitig Abgeordneter der Bürgerschaft. Kreisvorstand und Kreisdelegiertenversammlung des Kreises Harburg entschieden faktisch über die Kandidatenaufstellung für die Bürgerschaftswahl. Er konnte also jeden Tag im Hauptamt für seine Wiedernominierung arbeiten. Dazu war er als „Linker“ zeitweilig so etwas wie ein zweiter Kreisvorsitzender, da er den Amtsträgern rhetorisch häufig überlegen war und für sie den politischen „Ausputzer“ spielte.

Inzwischen dürfen übrigens die Landesgeschäftsführerin und andere Parteiangestellte auch der Bürgerschaftsfraktion angehören, was jahrzehntelang ausgeschlossen war.

Der Kreis Harburg sorgte für eine weitere zweifelhafte Innovation: der Kreisvorsitzende Frank Richter ist gleichzeitig stellvertretender Landesvorsitzender. Durch diese Art der Ämterhäufung wird der Landesvorstand um ein stimmberechtigtes Mitglied verkleinert.

Noch schöner kriegte sein Stellvertreter Thomas Völsch es hin, sich als Laie in Sachen innerparteilicher Demokratie zu profilieren: Er schaffte es immerhin für zwei Jahre eine geschlossene Ämterkette aufzubauen: Ortsvereinsvorsitzender des größten Distrikts Neugraben-Fischbek, stellvertretender Kreisvorsitzender und Beisitzer im Landesvorstand.

Aus dem Landesvorstand ausgeschieden behielt er seine übrigen Parteiämter, darunter das Kassiereramt bei der sgk, den sozialdemokratischen Kommunalpolitikern, kam in die Bürgerschaft und dort in den Fraktionsvorstand, da er bereits 1994-2004 Geschäftsführer der SPD-Bürgerschaftsfraktion war.

Aus dem Kreis Harburg kommt übrigens das „berühmte“ Muras-Papier, Muras war lange linker Kreisvorsitzender in Harburg, mit dem Olaf Scholz vor der Wahl die sogenannte Befriedung der SPD Hamburg herbeiführte. Ein weiteres interessantes Thema.

Für Kandidatenaufstellungen noch heute lesenswert:

Günter Pumm, Kandidatenauswahl und innerparteiliche Demokratie in der Hamburger SPD, Frankfurt 1977.

Ders., Verfassungspolitik durch innerparteiliche Satzungsänderung. Der Wechsel von Klaus v.Dohnanyi zu Henning Voscherau.In: Zeitschrift für Parlamentsfragen, Heft 4,1988, S.453-468.

P.S.:

Mein letztes SPD-Parteiamt war übrigens bis 2001 der Vorsitz in der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Bildungsfragen(AfB).

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