Mittwoch, 19. Januar 2011

SPD-Hamburg nur Bürgermeisterwahlverein? "Zwischenruf" im Hamburger Abendblatt


Hamburger Abendblatt v.17.1.2011,Hamburg-Teil, S.9: Zwischenruf. Die SPD muss sich emanzipieren. Ein Kommentar von Andreas Dey.

Das ist schon mehr als merkwürdig. Das Hamburger Abendblatt erinnert die SPD-Hamburg daran, nicht zum Bürgermeisterwahlverein zu werden, als den es die Hamburger SPD zur Zeit sieht.

Andreas Dey kommt zu seiner Kritik der SPD, nachdem er den SPD-Landesparteitag vom Wochenende gesehen hat. Fast hundertprozentige Zustimmung zum Spitzenkandidaten, keine Diskussion des Wahlprogramms, keine Diskussion des von Scholz vorgeschlagenen Personals, insbesondere Frank Horchs und Erck Rickmers.

Gegenkandidaturen zur Landesliste waren wegen des Nominierungsverfahrens kaum zu erwarten gewesen.

Dey hält dann folgerichtig der SPD die Fehlentwicklungen unter Ole v.Beust vor : Die CDU sei ihm willenlos gefolgt, weil er allein für den Erfolg stand. Widerspruch wurde unterdrückt, Parteitage waren nur zum Abnicken da.

Nach von Beusts Abgang brach das System zusammen.

Die SPD müsse sich „emanzipieren“, wenn ihr nicht dasselbe Schicksal zu Teil werden soll.

Man sollte die grundsätzliche Frage stellen, welche Art von Parteien wir in der Mediendemokratie eigentlich brauchen und welches Demokratieverständnis Vorrang haben soll.

So oder ähnlich könnte der Anhänger eines Elite-demokratischen Demokratieverständnisses argumentieren:

Zwar steht in der Verfassung und im Parteiengesetz etwas von innerparteilicher Demokratie, aber ist das in der politischen Realität in wichtigen Fragen jemals ernst genommen worden? Wofür ist die sachpolitische Willensbildung von unten nach oben eigentlich wichtig? Brauchen wir eigentlich Kandidatenaufstellungen, die strengen Regeln innerparteilicher Demokratie entsprechen, wie vielleicht in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts? Braucht man eigentlich wirklich mehr als Landesvorstände mit eindeutig herrschenden Parteivorsitzenden und auf den anderen Ebenen ebenfalls kleine Führungsgruppen, die die Verteilung der Ämter und Mandate so organisieren, dass ihre Macht optimal abgesichert wird?Für welche wichtigen Wahlkampfaktivitäten braucht man eigentlich zwingend aktive Parteimitglieder? Wozu braucht man eigentlich eine kompetente, kritische oder gar kreative Basis in den Ortsvereinen, die entsprechende Delegierte wählt? Beunruhigen und stören die nicht nur die Führungskader auf den verschiedenen Ebenen?

Ist nicht ein Landesvorsitzender, der Führung verspricht und führt, genau richtig. Sollte nicht der Spitzenkandidat die wichtigen programmatischen Vorgaben machen, die strategischen Entscheidungen wie etwa über mögliche Koalitionsoptionen treffen , das Führungspersonal für mögliche Regierungen auswählen und den Wahlkampf völlig auf den Spitzenkandidaten zuschneiden? Wenn der Beste diese Entscheidungen trifft, kommen doch sicherlich die für das Gemeinwesen besten Entscheidungen dabei heraus.

Wünschen sich die gesellschaftlichen Eliten nicht klare Führung in den Parteien, damit sie von Elite zu Elite ohne basisdemokratische Störung verhandeln können?

Sollte also ein Landesparteitag in einem Wahlkampf Wahlkampffunktionen erfüllen und folgerichtig das absegnen, was der Spitzenkandidat für richtig erkannt hat?

Ist das nicht die Geschlossenheit von Parteien, die die meisten Medien zudem ständig anmahnen?

Ein dennoch verdienstvoller Zwischenruf von Andreas Dey, selbst wenn er nicht völlig uneigennützig gewesen sein sollte. Denn worüber soll man als ernsthafter Journalist berichten, wenn Parteitage nur noch Wahlparteitage sind.


Über die Hamburger SPD vor den großen innerparteilichen Reformen der siebziger Jahre und Konzepte gesamtgesellschaftlicher Demokratisierung, einschließlich einer Kritik des Hamburger Parlamentarismus:

Günter Pumm, Kandidatenauswahl und innerparteiliche Demokratie in der Hamburger SPD,

Frankfurt.Bern.Las Vegas 1977

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