Mittwoch, 21. Juli 2010

Rücktritt des Ersten Bürgermeisters in Hamburg


Ole v.Beust verdankte seine Regierungszeit der wohlwollenden medialen Unterstützung der Zeitungen des Springer-Verlags für sich, aber z.B. auch für die Schill-Partei.

v.Beust hat jede mögliche Machtoption genutzt: erst 2001 nach einem miserablen Wahlergebnis für die CDU das Bündnis mit der Schill-Partei, die Aufkündigung der Koalition mit der Schill-Partei, dann 2008 die Koalition mit der GAL unter Aufgabe von Kernbeständen der CDU-Programmatik, die er als Modernisierung einer Großstadtpartei verkaufte.

Dass von Beust während der Legislaturperiode zurücktreten würde, war wegen der Umfrageergebnisse und der vielen politischen Brandherde für ihn nahe liegend, ist aber auch nicht vorwerfbar. Außerdem hatte er als Bürgermeister mit 55 Jahren die Pensionsberechtigung erlangt und konnte schon auf eine lange Amtszeit verweisen. Persönlich durchaus wichtige Daten.

Seit dem Scheitern der Verhandlungen mit der Bürgerinitiative “Wir wollen lernen“ war mit v.Beusts Rücktritt zu rechnen. Das Hamburger Abendblatt brachte einen Tag vor der Bekanntgabe des Scheiterns überraschend und zum ersten Mal ein kämpferisch-verkniffenes Buntbild v.Beusts. Seitdem verschlechterte sich auch die Berichterstattung über den Bürgermeister. Ob es dafür auch andere Gründe gab?

Das Risiko einer fünften Kandidatur wäre zu groß gewesen, ein Nachfolger braucht zudem Zeit um sich aufzubauen.

Da gibt es die Haushaltsprobleme gewaltigen Ausmaßes, die Kostensteigerungen bei der Elbphilharmonie, die Verantwortlichkeit für das Scheitern der HSH Nordbank, Hochschulpolitische Standortprobleme und dann das voraussichtliche Scheitern der sechsjährigen Primarschule, die keine Partei 2008 in ihrem Wahlprogramm hatte, aber Preis für den Machterhalt und das erste Schwarz-Grüne Experiment in einem Bundesland war.

Selbst das späte Umsteuern des Hamburger Abendblatts zugunsten der Schulreform, das in der letzten Woche vor dem Volksentscheid noch zu Mobilisierungszwecken ehemalige Bürgermeister und andere politische Autoritäten mit mehreren Aufmachern ins Rennen schickte, bewahrte den Bürgermeister nicht vor einer gewaltigen Niederlage. Über 50000 Stimmen mehr für die Gegner der Schulreform, das Quorum von 247000 Stimmen wurde locker erreicht. Die Wahlbeteiligung war besser als bei der Europa-Wahl.

Der Ausgang des Volksentscheids war voraussehbar. Es gab Umfragen, am Nachmittag aber auch erste Informationen über die hohe Wahlbeteiligung in den „bürgerlichen“ Wohngebieten Dass von Beust unbedingt noch am Tage des Volksentscheids zurücktreten wollte, zeigt die mangelnde Bereitschaft politische Verantwortung unverstellt zu übernehmen und den Wunsch, einen persönlich motivierten Rücktritt hinzulegen. Außerdem sollte die Personalie v.Beust- Rücktritt die mediale Wirkung der Schulreform-Niederlage mindern. Das mag zwar partiell gelungen sein. Beide Ereignisse waren jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung untrennbar verbunden.

V.Beust war Gallionsfigur, Macher und Garant von schwarz-grün. Nunmehr steht die GAL zwar mit schönen Ämtern versehen da, die sie auch mindestens bis zur Pensionsberechtigung behalten möchte, jedoch ohne ernstzunehmende politische Ergebnisse, denn kaum jemand glaubt noch an das letzte große Projekt der GAL: die teure Stadtbahn.

Allerdings geht ohne die GAL im Moment in Hamburg wenig: ohne die GAL keine Koalition, aber auch keine Neuwahlen.

Der Druck der Berliner Grünen, der nicht-öffentliche Teil des Regierungshandelns und personalpolitische- und Absicherungsinteressen dürften die GAL in der Koalition halten. Ein erheblicher Glaubwürdigkeitsverlust träte allerdings ein, wenn die GAL sich die weitere Zusammenarbeit mit der CDU z.B. mit dem Kultursenatorenamt für Wilfried Meier „abkaufen“ ließe.

Der 18.Juli 2010 war auch ein schwarzer Tag für die politische Klasse insgesamt in Hamburg Die vier Parteien in der Bürgerschaft haben für ein wichtiges politisches Ziel ihre Mitglieder und Anhänger nicht mobilisieren können, am wenigsten konnte dies naturgemäß die CDU.

Hier zeichnet sich ein fundamentaler Vertrauensverlust ab.

Aber: das Volk selbst ist in Hamburg ein ernstzunehmender politischer Faktor geworden, nicht erst seit diesem Volksentscheid zur Schulreform.

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