Professor Greven hat sich auf dem letzten Drei-Länder-Treffen der politikwissenschaftlichen Vereinigungen der Schweiz, Österreichs und Deutschlands für in der Politikwissenschaft allumfassend zuständig erklärt. Normalerweise ist sein Politikfeld an der Universität Hamburg Politische Theorie und Ideengeschichte.
Greven stieg mit einer überraschenden Feststellung zur Halbzeitbilanz der Hamburger CDU/GAL-Koalition ein, die er bereits lange vor ihrem Zustandekommen befürwortet hatte: Die Koalition stehe zur Halbzeit überraschend gut da, besonders natürlich die GAL.
Mit dieser Feststellung dürfte er unter ernstzunehmenden Experten außerhalb von GAL und CDU allerdings nur wenig Zustimmung finden.
Es folgen nun eine Reihe von Erklärungen zur Lage der Koalition, die dieses Urteil begründen sollen:
Der Rücktritt Dr.Freytags sei kein Problem, sondern eine Befreiung für die CDU gewesen.
Es sei personalpolitisch auch keine schwierige Lage entstanden, ein Problem gebe es erst, wenn v.Beust seine Entscheidung zu lange aufschiebe, ob er weitermachen wolle.
Die Nachfolgefrage sei auch deshalb problematisch, weil ein möglicher Nachfolger, nämlich v.Schira, bereits erklärt habe, er hätte keine entsprechenden Ambitionen, diese Bemerkung würde er möglicherweise noch bereuen.
Die kürzlich bekannt gewordenen Umfrageergebnisse, die die CDU bei 31 Prozent sehen, seien auch kein Problem, da das letzte Wahlergebnis für die CDU ja untypisch gut gewesen sei. Die SPD, mit der CDU gleichauf, könne von der Schwäche der CDU kaum profitieren.
Sie habe zudem ebenfalls das Problem, noch keinen Spitzenkandidaten zu haben und zudem trotz des kürzlich unterschriebenen Schulreform-Schulterschlusses ein Glaubwürdigkeitsproblem in der Bildungspolitik, da sie die sechsjährige Primarschule nicht gleich unterstützt habe, als CDU und GAL sie ausgehandelt hätten.
Die GAL sieht Greven auch in keiner schwierigen Lage, sie freue sich nämlich durchweg mitzuregieren.
Der Volksentscheid zur Schulreform im Sommer sei auch kein Problem, denn er sei schließlich dem richtigen Modernisierungskurs der CDU geschuldet und treffe lediglich auf den Widerstand konservativer Teile des Bürgertums.
V..Beust sei übrigens in der CDU völlig unkritisiert und anerkannt.
Dieses Interview verzeichnet die politische Lage in Hamburg wie mir scheint deutlich, auch wenn es einige interessante Einschätzungen enthält. Der „Politik-Experte“ Greven riskiert hier fast seinen Ruf als professoraler Experte im beamteten Hauptamt. Man würde Greven aber Unrecht tun, wenn man dies einfach auf seine grüne, bürgerliche Grundorientierung zurückführen würde.
Die Probleme der Stadt und der Koalition werden in diesem Interview einfach unterschätzt:
Die desaströse Haushaltslage der Stadt, der HSH Nordbank-Skandal, die Kostenüberschreitungen bei der Elbphilharmonie, demnächst möglicherweise Gegenstand eines PUA, und dem U-Bahn-Bau, der anstehende Volksentscheid-Wahlkampf, das Scheitern der meisten GAL-Vorhaben einschließlich wohl auch der Stadtbahn, Probleme bei Wohungsbau und der Sicherheitslage, die nicht besser ist als zu SPD-GAL-Zeiten, die schlechten Umfrageergebnisse für die CDU, die sinkenden Zustimmungswerte für v. Beust, das notleidende CDU-Modernisierungskonzept , das wohl lediglich eine taktische Kurskorrektur von oben darstellt.
Ob sich Professor Greven unterhalb der Ebene allgemeiner strategischer Einschätzungen hinreichend in die Probleme der Stadt hat einarbeiten können?